Unliebsamer Besuch

„Wir müssen reden“, sagte er zu ihr.

„Ich weiß gar nicht, worüber du reden willst. Für mich gibt es nichts zu besprechen. Immer willst du reden. Dabei sind die Tatsachen doch offensichtlich.“ Sie deutete auf den Boden.

„Ich wüsste gerne, was du dazu zu sagen hast.“

„Deine Mutter hat sich wieder beschwert, dass die Weingläser nicht genug geglänzt haben.“

„Aber musstest du sie deswegen mit der Weinflasche k.-o.-schlagen?“

„Hätte ich die Gläser nehmen sollen, die ich extra auf Hochglanz poliert hatte, weil ich wusste, dass deine Mutter kommt?“

„Atmet sie noch?“

„Ich habe nicht nachgeschaut.“

Er trat an seine Mutter heran, die auf dem Perserteppich lag, dessen akkurat gebürstete Fransen durcheinander geraten waren. Er berührte sie an der Schulter. Sie bewegte sich und schlug die Augen auf.

„Was ist passiert? Wurde ich überfallen?“

„Es ist alles wieder gut“, meinte ihr Sohn beruhigend. „Der Angreifer ist geflohen.“

„Also wirklich“, sie setzte sich auf. „Schmutzige Gläser, billiger Wein und Einbrecher. Mir reicht’s.“

„Aber Mutter…“

„Nichts da. Ich gehe.“ Sie stand vorsichtig auf und ging zur Tür. „Ich werde euch so bald nicht mehr besuchen. Hier ist man seines Lebens nichts sicher.“

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