Wie geht es dem Weihnachtsmann? Ich habe schon lange nichts mehr von ihm gehört. Vielleicht ist er zu beschäftigt. Bei unserem letzten Telefonat klang er sehr gehetzt. Ich glaube, nach diesem anstrengenden Jahr, gibt er sich sehr große Mühe, die Geschenke pünktlich zu verteilen. Aber wer kann es ihm verdenken, dass er dieses Jahr Probleme besonderer Art hat. Weil sich die Menschen nur in kleinen Gruppen treffen dürfen, muss er extra viele Touren machen, um alles abzuliefern. Ich kann seinen Eifer verstehen, sagte ihm aber bereits im April, dass er sein Geschäftsmodell überdenken müsse. Damals war er noch voller Hoffnung, dass es bis Weihnachten in diesem üblen Jahr 2020 besser werden würde. Er will einfach immer nur das Beste im Menschen sehen. Er meinte: „Das wird schon noch. Du weißt die Menschen sind doch nett und rücksichtsvoll.“ Wie schön wäre es gewesen, wenn er Recht behalten hätte.
Aber die Situation ist leider anders. Also sitze ich hier und versuche den Weihnachtsmann zu erreichen. Als ich die letzten Male anrief, meldeten sich immer nur die Elfen. „Tut uns leid, er ist wieder mit dem Schlitten unterwegs. Können wir etwas ausrichten?“ Einmal landete ich sogar auf der Mailbox „Ho, ho, ho, bin gerade in schenkender Mission unterwegs. Ruf später noch einmal an.“
Ich mache mir wirklich Sorgen. Ich überlege, wen ich noch anrufen könnte. Da hatte ich einen Geistesblitz. Ich würde Tante Clara anrufen, die wusste wirklich alles über jeden. Es klingelte.
„Hallo?“
„Hallo Tante Clara, wie geht es Dir?“
„Ausgezeichnet, mein Kind. Was gibt es Neues?“
„Tante Clara, ich versuche seit längerer Zeit den Weihnachtsmann zu erreichen. Weißt Du, wo er ist? Ich mache mir wirklich Sorgen um ihn. In diesem Jahr hat er doch besonders viel Stress.“
„Du brauchst dich nicht zu sorgen, es wird alles gut.“
„Tante Clara, Du weißt doch etwas.“
„Ich habe ihm versprochen, ihn nicht zu verraten. Aber ich sage ihm gerne liebe Grüße von Dir.“
„Also geht es ihm gut?“
„Es geht ihm immer besser.“
Etwas beruhigter lege ich auf. Als ich am nächsten Tag meine selbstgebastelten Geschenke fertigstelle, klingelt das Telefon.
„Hallo“, melde ich mich etwas atemlos. Gerade habe ich noch versucht, zarte Wattebäusche von meinem klebrigen Fingern abzuziehen und auf der hübschen Weihnachtscollage anzubringen. Ich war mit dem Ergebnis nur mäßig zufrieden.
„Ho, ho, ho, ich habe gehört, du hast mich gesucht, deshalb wollte ich mich schnell melden. Moment“, er scheint mit jemandem anderen zu sprechen, „Also mir geht es sehr gut. Nein, bitte wartet auf mich, ich möchte die Klangschalenübungen mitmachen. Ich hoffe, Du bist jetzt beruhigt. Ich komme schon, ich musste nur kurz die Yogamatte weglegen. Schön, dass du dich gemeldet hast, aber ich bin ganz in meinem inneren Gleichgewicht. Du hörst, ich muss weiter. Lass es Dir gutgehen. Wir sehen uns bald wieder.“
Nach einer kurzen Verabschiedung lege ich auf, lehne mich auf meinem Stuhl bequem zurück und lächle. Wenn der Weihnachtsmann eine Auszeit nehmen konnte, dann würde ich mir jetzt einen Tee kochen und Weihnachtsplätzchen essen. Die Bastelei konnte warten.
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